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Lohnt sich der Einspruch gegen die neuen Grundsteuerwertbescheide?
Wer zu den im Bundesdurchschnitt ca. 75% der Eigentümer:innen gehört, die bereits ihre Grundsteuererklärung abgegeben haben, hat sie womöglich schon im Briefkasten: die neuen Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbetragsbescheide (abhängig vom Landesmodell). Rund ein Drittel aller Erklärungen haben die Finanzämter inzwischen schon bearbeitet. Wer noch keine(n) Bescheid(e) erhalten hat, muss daher nicht nervös werden, zumal die Bearbeitung viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Finanzbehörden kommunizieren offen, möglichst nicht anzufragen, wo der Bescheid bleibe, und bitten darum, auf Sachstandsanfragen zu verzichten.
Wenn der Bescheid vorliegt
Doch auch wer bereits die Bescheide in der Hand hält, steht vor der Hürde zu verstehen, was da genau geschrieben steht und abzuwägen, ob und was gegen die Bescheide unternommen werden kann. Der Hinweis, dass aufgrund des Bescheides keine Zahlung zu leisten sei, beruhigt den geneigten Leser zunächst. Gleichzeitig bedeutet dies in der Folgerung, dass nach Ergehen der Bescheide noch nicht feststeht, wie hoch die Grundsteuerbelastung ab dem 1. Januar 2025 tatsächlich sein wird. Denn den maßgeblichen Parameter, die regionalen Hebesätze, legen die Gemeinden für die endgültige Berechnung der Grundsteuer erst im Jahr 2024 fest.
Derzeit kursieren in der Presse und im Internet vermehrt Empfehlungen, provisorisch gegen die Bescheide Einspruch einzulegen, um „sich abzusichern“. Hintergrund seien jedenfalls verfassungsrechtliche Zweifel an den neuen Grundsteuergesetzen. In der Praxis hat das dazu geführt, dass die Finanzämter bereits jetzt unter einer riesigen Einspruchslawine ächzen.
Eine pauschale Handlungsempfehlung kann aufgrund der individuellen Einflussfaktoren nicht seriös ausgesprochen werden. Vielmehr kommt es auf eine differenzierte Betrachtung im Einzelfall an geleitet von der Frage, was überhaupt das Ziel des Einspruchs sein soll. Um die Bedeutung der verschiedenen Bescheide zunächst zu verstehen, stellen wir nachfolgend die verfahrensrechtlichen Regelungen zur Festsetzung der Grundsteuer im Detail dar. Im Anschluss gehen wir der Frage nach, ob und in welchen Konstellationen ein Einspruch wirklich ratsam ist.
Von der Feststellungserklärung zum Grundsteuerbescheid
Nach der Abgabe der Grundsteuererklärung ergehen zeitlich gestreckt insgesamt drei Bescheide zur Grundsteuer:
1.Bescheid: Grundsteuerwertbescheid
Anhand der Daten, die der/die Eigentümer:in in der Grundsteuererklärung angegeben hat, berechnet das Finanzamt den steuerlichen Wert der Immobilie – den sog. Grundsteuerwert.
Zwingend vorausgesetzt sind Entscheidungen über die Art der wirtschaftlichen Einheit und die Grundstücksart sowie eine Feststellung über die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit und die Höhe ihrer Anteile bei mehreren Beteiligten. Der Grundsteuerwertbescheid bildet die Grundlage für alle weiteren Berechnung, weshalb er technisch als Grundlagenbescheid bezeichnet wird.
2.Bescheid: Grundsteuermessbetragsbescheid
Zusammen mit dem Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwerts ergeht regelmäßig auch zeitgleich der Bescheid über den Grundsteuermessbetrag (sog. Folgebescheid).
Diesen ermittelt das Finanzamt anhand einer gesetzlich determinierten Steuermesszahl ermittelt durch Multiplikation mit dem Grundsteuerwert. Der Grundsteuermessbetrag ist lediglich die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer, weshalb beide vorgenannten Bescheide den Hinweis enthalten, dass „aufgrund des Bescheids keine Zahlung zu leisten ist“.
3.Bescheid: Grundsteuerbescheid
Am Ende der Kette steht der Erlass des Grundsteuerbescheids als Folgebescheid zum Grundsteuermessbetragsbescheid.
Die jeweilige Gemeinde multipliziert den Grundsteuermessbetrag mit dem individuellen gemeindlichen Hebesatz und legt damit die endgültige Höhe der Grundsteuer fest. Der Grundsteuerbescheid enthält damit erstmalig eine Aufforderung zur Zahlung.
Die Prüfung von Grundlagen- und Folgebescheiden
In jedem Fall sollten die ergangenen Bescheide gründlichst geprüft und mit der abgegebenen Erklärung verglichen werden. Denn Fehler in der Berechnung oder der unrechtmäßige Ansatz von Parametern wirken sich unmittelbar negativ auf die Höhe der Grundsteuer aus.
Grundsätzlich gilt, dass solche Fehler in einem der Bescheide durch einen Einspruch gegen den jeweiligen Bescheid angefochten werden müssen. Im Regelfall handelt es sich hierbei um den Grundsteuerwertbescheid, der einer Korrektur bedarf. Als Grundlagenbescheid können in ihm enthaltene Entscheidungen nur durch dessen Anfechtung, nicht aber durch Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden. Die Folgebescheide rekurrieren lediglich auf den jeweiligen Grundlagenbescheid.
Ob der Grundsteuerwertbescheid seine Richtigkeit hat, kann am besten durch den Vergleich mit den Daten der Grundsteuererklärung geprüft werden. Für das Bundesmodell sind insbesondere die folgenden Parameter zu überprüfen:
- Gemarkung, Flurstücksnummer, Fläche des Grundstücks,
- Gebäudeart,
- Wohnfläche, Nutzfläche,
- Baujahr, Anzahl der Garagen, Bodenrichtwert,
- Eigentümer:innen und Anteilshöhe.
In Bundesländern mit eigenem Grundsteuermodell sind u. a. andere oder weitere Aspekte erforderlich.
Doch auch der Grundsteuermessbescheid kann Fehler enthalten. Diese sind regelmäßig Berechnungsfehler. Für besondere Wohngebäude gilt z. B. eine reduzierte Steuermesszahl, so auch für denkmalgeschützte Gebäude. Auch ein Förderbescheid nach dem Wohnraumfördergesetz wirkt sich auf die Steuermesszahl aus.
Wichtig ist jedenfalls, dass es sich nicht um einen Fehler handelt, der schon im Grundsteuerwertbescheid unterlaufen ist, denn
- ein Fehler im Grundsteuerwertbescheid lässt sich nur durch einen Einspruch gegen diesen beheben und
- ein Einspruch gegen den Grundsteuermessbetragsbescheid ändert nichts an der Berechnung des Grundsteuerwertbescheids,
zumal ein Einspruch gegen den Folgebescheid, mit dem nur Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid geltend gemacht werden, stets unbegründet ist.
Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid oder den Grundsteuermessbetragsbescheid wegen inhaltlicher Fehler
Enthält einer der Bescheide solche groben Fehler, sollte in jedem Fall Einspruch gegen den jeweiligen Bescheid eingelegt werden. Hier sind verfahrensrechtliche Formalien zu berücksichtigen. Der Einspruch ist (ohne Beauftragung eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts) unbedingt schriftlich einzureichen – oder digital über ein Elster-Zertifikat zu übermitteln – und dies innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist von einem Monat ab Bekanntgabe.
Im Begründungsteil des Einspruchs sind die Fehler aufzuzeigen und darzustellen. Bei fehlerhaften Angaben in der Erklärung bzw. Fehlern im Bescheid liegt die Begründung offen auf der Hand. Hier lohnt es sich, den Sachbearbeiter beim Finanzamt sprichwörtlich an die Hand zu nehmen und alle erforderlichen Daten und Unterlagen mitzugeben, um Rückfragen zuvorzukommen.
Für die Begründung haben die Eigentümer:innen allerdings nicht nur einen Versuch: Sie kann nachgelagert zur Erklärung des Einspruchs erfolgen und auch weitere Ausführungen können bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens nachgereicht werden. Bisweilen fordert das Finanzamt dann dazu auf, nachzumessen, nachzurechnen oder sich anderer Aspekte sachkundig zu machen.
Inhaltlich kann das Finanzamt drei mögliche Entscheidungen treffen:
- Der Einspruch wird als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen.
- Dem Einspruch wird teilweise stattgegeben.
- Dem Einspruch vollumfänglich stattgegeben.
Für das Einspruchsverfahren selbst wird keine Gebühr fällig und ist somit kostenlos. Wird dem Einspruch ganz oder teilweise nicht entsprochen, kann diese Entscheidung entweder hingenommen oder der Rechtsweg beschritten werden.
Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid wegen Verfassungswidrigkeit
Auch eine im Einspruch vorgetragene Verfassungswidrigkeit, wie sie derzeit in der Presse und von Experten diskutiert wird, ist hinlänglich zu begründen. Dem simplen Abstellen auf das Argument Verfassungswidrigkeit wird das Finanzamt voraussichtlich antworten mit „kein Problem, selbstverständlich verfassungsgemäß“. Die Ansatzpunkte hinter der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der neuen Grundsteuermodelle sind die folgende Erwägungen:
Die neuen Bewertungsverfahren sehen aus Vereinfachungsgründen umfassende Typisierungen vor. Dem Gesetzgeber steht es zwar grundsätzlich frei, bestimmte Parameter zur Bewertung typisierend festzulegen und deren Rechtsverbindlichkeit anzuordnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt dies, solange die Grenzen der Typisierung eingehalten werden. Die Typisierung, die der Bewertung zugrunde liegt, rechtfertigt jedenfalls keine Verletzung des sogenannten Übermaßverbots im konkreten Einzelfall. Das Übermaßverbot ist immer dann verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung extrem über das normale Maß hinausgehen. Oder anders ausgedrückt: wenn die Folgen auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Einschätzung durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind.
Im Bundesmodell ist beispielsweise der typisiert ermittelte Grundstückswert als Belastungswert heranzuziehen. Hierbei akzeptiert der Gesetzgeber allerdings eine extreme Nivellierung der Werte durch die typisierte Bewertung. So sieht das Bundesmodell keine Möglichkeit vor, einen niedrigeren Wert als den sich nach den Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetztes (BewG) ergebenden Wert nachzuweisen. Auch die verschiedenen Ländermodelle lassen keinen Gegenbeweis eines niedrigeren Wertes zu. Die Möglichkeit dieses Nachweise maßgeblicherer Parameter gebietet jedoch das Übermaßverbot, das grundrechtlich verankert ist. Der Bundesfinanzhof betont in steter Regelmäßigkeit, dass ungenaue Werte zu einer gleichheitswidrigen Steuer führen, wenn ein Gegenbeweis nicht zulässig ist.
Weiterhin wird in der Diskussion angebracht, dass die finanzielle Belastung mit Grundsteuer der Höhe nach erst nach Festsetzung der Grundsteuerbescheide durch die Gemeinden feststeht. Zu diesem künftigen Zeitpunkt werden die Grundsteuerwertbescheide regelmäßig längst bestandskräftig sein. Die Rechtsfolgen der Grundsteuerwertbescheide lassen sich also bis zum Ende ihrer Rechtsbehelfsfrist nicht absehen. Hierin könnte ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot liegen. Das Bestimmtheitsgebot ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips und besagt, dass für die Bürger:innen erkennbar sein muss, welche Rechtsfolgen sich aus ihrem Verhalten ergeben können. Wäre die staatliche Reaktion auf das Handeln nicht voraussehbar, bestünde die Gefahr willkürlichen Verhaltens. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist also von besonderer Bedeutung für die Rechtssicherheit.
Praxis-Tipp:
Dem Vernehmen nach stellen die Finanzämter aufgrund der Flut an Einsprüchen die Entscheidungen vorerst zurück. Solange kein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof oder dem Bundesverfassungsgericht anhängig ist, dürfte die Einspruchsbegründung, die neuen Grundsteuerregelungen seien verfassungswidrig, allerdings wenig erfolgversprechend sein, um die Bescheide langfristig offenzuhalten. Die Finanzämter dürften die Einsprüche dann regelmäßig mit der Begründung zurückweisen, dass sie an geltendes Recht gebunden seien – und solange keine entsprechende gerichtliche Entscheidung vorliegt, sind die Normen verfassungsgemäß.
Dabei ist grundsätzlich zweifelhaft, ob eine Überprüfung der Bewertungs- und Grundsteuergesetze durch das Bundesverfassungsgericht überhaupt nochmals zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit führen würde. Bei realistischer Betrachtung stehen einem solchen Urteil sowohl volkswirtschaftliche als auch politische Gründe entgegen, zumal das Besteuerungsaufkommen der Gemeinden bei Feststellung der Verfassungswidrigkeiten erheblich gefährdet wäre.
Doch in dem Fall, dass das Bundesverfassungsgericht die aktuellen Vorschriften für verfassungswidrig hielte, dürfte eine Änderung der angefochtenen Bescheide mit rückwirkender Auswirkung nicht zu erwarten sein. Die bisherigen Urteile zur Vermögen-, Erbschaft- oder eben zur Grundsteuer sind als Indiz dafür zu verstehen, dass das Bundesverfassungsgericht eine Fortgeltungsdauer der Gesetze nebst einer Frist zur Verabschiedung von dann verfassungsgemäßen Normen erwägen würde („Pro-futuro-Rechtsprechung“).
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